4 Der Weg zum Case-Management

1992 beauftragte der Bundesgesundheitsminister für Gesundheit die Aktion Psychisch Kranke, ein weiteres Forschungsprojekt in diesem Bereich durchzuführen. Dabei wurde festgestellt, daß es viele Einrichtungen gab, die ein Konzept entwickelt haben und sich dazu die passenden KlientInnen gesucht haben. Dieser Mechanismus ist im gesamten Gesundheitswesen zu beobachten: Das Angebot richtet sich nicht nach der Nachfrage, sondern die Nachfrage nach dem Angebot.

Im Mittelpunkt dieser Forschung steht ein integrierter Behandlungs- und Rehabilitationsplan, der die individuell benötigten Hilfen ermittelt und zu organisieren versucht. Die Hilfeleistungen müssen individuell koordiniert werden (= Case-Management). Bisher hatte man sich auf die Koordination der Dienste, Anbieter etc. konzentriert, während man sich jetzt auf die Koordination der Hilfeleistungen für die Individuen besann. Die bisherige Tendenz, das Hauptaugenmerk auf die Entwicklung der Dienste und ihre Koordination zu richten, hatte zu einer Fehlentwicklung geführt, die durch Konkurrenzkampf, Abschottung gegeneinander und Zersplitterung des Leistungsangebotes gekennzeichnet war. Die Koordination des Hilfeangebotes muß aber mit dem Ziel einer möglichst großen Selbständigkeit ("Entsorgen") und Eigenverantwortlichkeit der psychisch Kranken alle individuell erforderlichen Maßnahmen regeln.

STAHLKOPF (in: KÖHLER, 1999, S.78) will dies in folgender Abfolge organisieren:

Abbildung 2: Koordination des Hilfeangebotes auf Basis der individuellen Bedarfsermittlung / Case Management nach STAHLKOPF. Quelle: KÖHLER, 1999, S.78. Entwurf: J. Neubauer

Das Komplexleistungsprogramm sozialpsychiatrischer Behandlung und Rehabilitation umfasst folgende Leistungsbereiche (KAUDER, in: KÖHLER, 1999, S.78):

Dies soll auf Grundlage von Rechtsvorschriften geschehen; alle Beteiligten sollen durch Abschluß von Kooperationsverträgen zur verbindlichen Zusammenarbeit verpflichtet werden.

Ziele, Aufgaben und Instrumente der kommunalen Steuerung sind nach KRUCKENBERG (in: KÖHLER, 1999, S.79):

Ziele und Aufgaben
Instrumente
Bedarfsermittlung und Bedarfsgewichtung Gesundheitsberichterstattung
Bedarfsorientierte und koordinierte Einbindung aller Angebotsträger in die regionale Versorgungsverpflichtung Versorgungsverträge
Regelung der einzelfallbezogenen Kooperation Kooperationsverträge, Trägerverbund
Regelung der einzelfallbezogenen Finanzierung Richtlinien der Leistungsträger
Qualitätssicherung und Evaluation Nutzerkontrolle
Jahresbericht durch ein externes Institut
Planung und Finanzierung der Weiterentwicklung des Systems Kommunaler Psychiatrieplan
Kommunales Psychiatriebudget

Quelle: KRUCKENBERG, in: KÖHLER (1999), S.79

Mit Hilfe der Gesundheitsberichterstattung sind die Daten zu ermitteln, die die Grundlage für die Bedarfsermittlung und -gewichtung darstellen. Darauf muß die regionale Steuerung aufbauen.

Versorgungsverträge regeln das Verhältnis zwischen KlientInnen und Anbietern so, daß das Angebot bedarfsorientiert ist. Die Verträge müssen kündbar sein.

Das Verhältnis der Anbieter untereinander soll durch Kooperationsverträge geregelt werden.

Für die einzelfallbezogene Finanzierung sind Verhandlungen für Rahmenbedingungen zwischen den Finanzierungsträgern (Sozialhilfe- und Sozialversicherungsträger) erforderlich.

Die Qualitätssicherung soll von innen (durch Q-Zirkel, Nutzerkontrolle etc.) und von außen (durch Institute) gewährleistet werden.

Der/die PsychiatriekoordinatorIn soll der Motor dafür sein, auf kommunalpolitischer Ebene einen Psychiatrieplan und ein Psychiatriebudget voranzutreiben.

4.1 Das Gemeindepsychiatrische Zentrum

Das gemeindepsychiatrische Zentrum ist als Organisationsform gemeindenaher psychiatrischer Versorgung ein Idealfall. Grundlage ist die Idee der möglichst engen Verzahnung der verschiedenen Stadien des/der KlientIn in seinem/ihrem Krankheitsverlauf. Die Tatsache, daß viele psychisch Kranke besondere Schwierigkeiten mit der Kontaktaufnahme und -pflege haben, was allgemein schon zur Forderung nach niedrigschwelligen Angeboten geführt hat, brachte die Idee einer Kontinuität aller Betreuungspersonen längs aller Krankheitsstadien des/der KlientIn hervor. Das zunächst intramural durchgeführte Konzept (gleiches Betreuungspersonal vollstationär / teilstationär / ambulant) wurde im Rahmen des Gemeindepsychiatrischen Zentrums über die Klinikmauern hinaustransportiert. Ein/eine persönlicheR Case-ManagerIn koordiniert die verschiedenen Angebote für und mit den KlientInnen und begleitet sie durch die verschiedenen Stadien. Die/der Arzt/Ärztin betreut den/die KlientIn im Falle einer vollstationären Behandlung auf der Station, bei Entlassung, aber auch in der Tagesklinik und zu Hause. Das gleiche gilt für die anderen Betreuungspersonen.

Natürlich ist hier anzumerken, daß diese Art der Kontinuität der Betreuungspersonen nicht das Bedürfnis aller psychisch Kranken ist.

Abbildung 3: Entwurf: J. Neubauer

Abbildung 4: Entwurf: J. Neubauer